Opernfestspiele Heidenheim 2020

 

Heidenheim feiert die Macht der Musik

Macht ist per Definition etwas, „was eine besondere bzw. geheimnisvolle Kraft darstellt bzw. besitzt“. Mit ihrem diesjährigen Motto bespielen die Opernfestspiele Heidenheim (OH!) so gekonnt gleich mehrere Bedeutungsebenen, wenn die Macht der Musik mit Meisterwerken u.a. von Verdi, dem 2020er-Jubilar Beethoven, Carl Orff oder Leonard Bernstein in der einzigartigen Open-Air-Location von Schloss Hellenstein mit dessen machtvoller mittelalterlicher Architektonik ganz unmittelbar spür- und natürlich hörbar wird. Dafür garantiert seit Jahren neben den Stuttgarter Philharmonikern auch die 2011 ins Leben gerufene Cappella Aquileia – laut neue musikzeitung vom Juli 2019 „in die Oberliga der deutschen Festivalorchester aufgestiegen“ – mit ihrem Gründer und Künstlerischen Gesamtleiter Marcus Bosch. Zugleich wird in Heidenheim das Motto „Macht“ als gesellschaftspolitisches wie zwischenmenschliches Phänomen auch unmittelbar auf der Opernbühne verhandelt: In Giuseppe Verdis „Don Carlo“ (Inszenierung: Georg Schmiedleitner, Premiere: 10.7.) etwa mahlt das Räderwerk der Machtmaschinerie im Spanien des 16. Jahrhunderts vor dem Hintergrund des durch die spanische Besetzung der Niederlande ausgelösten Achtzigjährigen Krieges – und wirkt tragisch bis in die intime Zweierbeziehung hinein. Und auch in Verdis „I Due Foscari“ (Inszenierung: Tibor Torell, Premiere: 23.7.) dreht sich im Venedig des 15. Jahrhunderts alles um Machtausübung, -missbrauch und -übertragung bis schließlich zu Entmachtung, exemplifiziert an Francesco Foscari, dem 65. Dogen der Lagunenstadt. Durch die frappierenden Parallelen zu den (welt-)politischen Vorgängen dieser Tage liefern die Opernfestspiele Heidenheim mit diesen beiden Produktionen auch gleich noch einen Subtext für die aktuelle gesellschaftliche Diskussion. Für Marcus Bosch versprechen die Festspiele 2020 aber auf jeden Fall ein Sängerfest zu werden: „Mit Leah Gordon, Anja Juric, Lionel Lothe u.v.a. sind fantastische Verdisänger für Due Foscari und Don Carlos verpflichtet.“

Mit Ludwig van Beethoven ist dem wohl wirkmächtigsten Komponisten der Wiener Klassik anlässlich seines 250. Geburtstags ein weiterer Schwerpunkt bei den Opernfestspielen Heidenheim 2020 gewidmet: Im Eröffnungskonzert (29.5.) präsentiert die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz dessen Sinfonie Nr. 6 „Pastorale“ sowie sein Violinkonzert op. 61 mit Julian Rachlin als Dirigent und Solist in Personalunion. Und im Galakonzert (26.7.) kommt dann neben mehreren Ouvertüren die komplette „Egmont“-Schauspielmusik op. 84 zur Aufführung – mit der jungen deutschen Sopranistin Elena Harsányi als Clärchen, dem aus dem TV bestens bekannten Frederic Böhle als Sprecher, dem Tschechischen Philharmonischen Chor Brünn sowie der Cappella Aquileia unter Marcus Bosch. Für den Dirigenten Grund genug zur Vorfreunde: „Ich kann den Festivalsommer jedenfalls kaum erwarten.“ Neben dem Beethovenschwerpunkt „mit meiner geliebten Cappella Aquileia, ist auch das Konzert mit Omar Sousa und der NDR Big Band ein Highlight – vor allem für unser Jazzpublikum.“

Eine Herzensangelegenheit für die Macher der Opernfestspiele Heidenheim ist seit jeher der musikinteressierte Nachwuchs: In diesem Jahr wird für alle ab fünf Jahre die frisch zubereitete Küchenoper „Wurst“ von Kai Weßler und Sebastian Schwab im Opernzelt im Brenzpark serviert (Premiere: 1.7.); und zum traditionellen Familienkonzert (14.7.) laden die Musikerinnen und Musiker der Cappella Aquileia ins Konzerthaus Heidenheim ein.

Die Kombination von Kulinarik und Livemusik macht gleicht doppelt Appetit, weshalb dieses Format bei den Opernfestspielen Heidenheim auch 2020 seine Fortsetzung in gleich mehrfacher Ausprägung erfährt: mit dem „Blauen Abend“ (23.6.) in der Hammerschmiede Königsbronn, wenn Solistinnen und Solisten der OH! mit dem „Hör-Verführer“ Marcus Bosch (Deutschlandfunk Kultur) an Klavier und Moderationsmikrofon die Menüfolge musikalisch begleiten, bei einem Jazzfrühstück (28.6.), der „Schlossbergtafel“ mit Picknick, Schauspiel und Live-Musik open air oder dem Vier-Akt-Menü „Zu Gast bei Verdi“ (24.7.) im Rahmen des „Don Carlo“-Besuchs in der Schlosskirche.

Die einnehmende Macht der Musik stellen schließlich auch noch zwei weitere Programmangebote der diesjährigen Opernfestspiele Heidenheim unter Beweis: Unter der Überschrift „Chorpracht“ (5.7.) bringt der Tschechische Philharmonische Chor Brünn unter seinem Leiter Petr Fiala u.a. mit Antonín Dvořáks Messe D-Dur und Leoš Janáčeks „Ave Maria“ Perlen der romantischen Vokalliteratur in der Pauluskirche zur Aufführung. Und in der (doppelten) „Last Night“ (30.7.+1.8.) stehen dann wahre Publikumslieblinge auf dem Programmzettel: die Sinfonischen Tänze aus Leonard Bernsteins „West Side Story“ sowie Carl Orffs „Carmina Burana“ mit der Solistin Anna-Lena Elbert (Sopran), den Solisten Martin Platz (Tenor), Zoltan Nagy (Bariton), Eleven des Neuen Kammerchor Heidenheim, dem Brünner Festspielchor sowie der Cappella Aquileia unter Marcus Bosch. Letzterer bleibt den Opernfestspielen Heidenheim als Künstlerischer Leiter noch mindestens fünf Jahre erhalten – also großartige Aussichten für die Region, für alle Open-Air-Opernenthusiasten und darunter speziell die Verdi-Liebhaber – aber auch für den in München als Hochschulprofesssor und bei der Norddeutschen Philharmonie Rostock als Conductor in Residence engagierten Dirigenten selbst: „Für mich sind die Festspiele der Ort, an dem sich Musiker und ihr Publikum in einer besonderen Atmosphäre und in einer Ungezwungenheit und Direktheit begegnen, die anderswo oft nur sehr schwer herzustellen ist. Künstlerisch ist das für uns alle unglaublich produktiv!“

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