Markus Stenz hat mit dem Stavanger Symfoniorkester Bruckners Siebte eingespielt

 

„Bruckner scheint mir unerschöpfliches Atmen. Zugleich erlauben seine sich ständig weiter aufbauenden Klänge biegsame Bögen zu spannen – romantische, groß empfundene Musik“, sagt Markus Stenz. Das eine wie das andere ist in diesen Monaten für die global von der Pandemie in Haftung genommene Zuhörerschaft dringend notwendig: Den großen freien Atem wie auch eine Perspektive über das unmittelbar vor uns Liegende hinaus – beides liefern Stenz und das Stavanger Symfoniorkester mit ihrer Einspielung der Sinfonie Nr. 7 E-Dur (WAB 107) in beeindruckender Klarheit. Und beteiligen sich dabei zugleich an der spannenden interpretatorischen Diskussion um Tempomodifikationen bei Bruckner durch Rückbezug auf die Originalquellen.

Markus Stenz, der im Anschluss an eine zehnjährige Amtszeit als Kölner Generalmusikdirektor von 2012 – 2019 das niederländische Radio Filharmonisch Orkest leitete, gastierte beim Stavanger Symfoniorkester (SSO) erstmals im Februar 2017. Seither gibt es alljährlich Zusammenarbeiten mit dem 1938 gegründeten und in der Vergangenheit bereits für den Grammy Award nominierten Klangkörper, die nun in ein erstes gemeinsames Studioprojekt mündeten. Es ist ein ganz besonderer Geist, der sich zwischen den norwegischen MusikerInnen und dem deutschen Dirigenten über die Zeit herausgebildet hat und ganz unmittelbar auf die ZuhörerInnen ausstrahlt: „Begeistert von Stenz geführt, spielte das Orchester wie gewohnt hervorragend … mit tadelloser Präzision im Ensemble und ausdrucksstarkem Bläsersolo“, schrieb das Stavanger Aftenblad erst Anfang 2020 über die Aufführung von Beethovens „Fidelio“. Ein noch enthusiastischeres Feedback lieferte ein Rezensent derselben Zeitung auf eine erste gemeinsame Bruckner-Exegese im Herbst 2018: „Insgesamt war die Interpretation dieses Werks durch das Orchester und Markus Stenz ein großes Ereignis. Nie zuvor habe ich das SSO auf diesem Niveau in einer Bruckner-Sinfonie gehört.“

Bruckner schrieb das Werk als 60-Jähriger – und die Siebte gilt als der endgültige Befreiungsschlag des zeitlebens wenig selbstbewussten, überkritischen, freilich auch harsch kritisierten Österreichers. Sie ist sein (neben der „Romantischen“ Nr. 4) wohl populärster Gattungsbeitrag, der gleich im ersten Satz verblüfft: Denn kein anderes Hauptthema Bruckners weist einen solchen Atem auf wie dieses in zwei jeweils über 24 Takte hinwegströmende – Max Dehnert sprach angesichts dessen von der „Geburt der Melodie aus dem Geiste der Harmonie“. Bereits hier zeigt sich – nicht nur bezüglich der virulenten Tempofrage – die gewissenhafte Auseinandersetzung von Markus Stenz und dem Stavanger Symfoniorkester mit der Partitur im Sinne einer historisch informierten Auslegung bei gleichzeitig voller romantischer Klangwucht. So gelingt dem Dirigenten zum einen die überzeugende Gestaltung der großen Bruckner-Bögen, zum anderen eine – teils durchaus überraschende – Auslegung bzw. Gestaltung einzelner Phrasen oder gar Töne: ob ein Beckenschlag (2. Satz), dem jeder triumphale Gestus durch lediglich kurzes Aufblitzen sofort wieder genommen wird, der subversiv durchscheinende tänzerische Gestus im Scherzo oder die Anmutung des Hauptthemas im 4. Satz als fernes Echo einer fiktiven skandinavischen Volksmusikweise.

Markus Stenz, unter dem die aktuell 85 MusikerInnen des norwegischen Vorzeigeorchesters im modernen Stavanger Konzerthus zuverlässig größte Spielfreude an den Tag legen, hat der eigenen Diskografie damit einen weiteren hörenswerten Baustein hinzugefügt: „Bruckners Sinfonie zu erspüren in einer herausragenden Akustik, mit der Klangmacht, der Flexibilität und dem Sinn für Tiefe des Stavanger Symfoniorkester, war im Konzert beglückend. Und dieses Erlebnis nochmals zu suchen in einer konzentrierten Aufnahmewoche im Saal, war es ebenso.“

 

Anton Bruckner (1824-1896)

Sinfonie Nr. 7 E-Dur WAB 107

  • Allegro moderato
  • Adagio. Sehr feierlich und sehr langsam
  • Scherzo. Sehr schnell
  • Finale. Bewegt, doch nicht schnell

Stavanger Symphony Orchestra

Markus Stenz Dirigent

SSO Recordings / 7041889510436// VÖ: 27. November 2020 (digital) | 11. Dezember 2020 (CD und Vinyl)

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