The Roaring 20s: Der Große Gatsby in Saarbrücken

 

Jan Hutter (Tom Buchanan); Verena Bukal (Daisy Buchanan); Michael Wischniowski (Nick Carraway) und Laura Trapp (Jordan Baker) | Foto: Astrid Karger

Man kann kaum an Gatsby denken, ohne dass einem Baz Luhrmanns Film aus dem Jahr 2013 mit Leonardo DiCaprio in den Sinn kommt. Pailletten, Sternchen, Glamour pur: Elemente, die schwer zu vergessen und voll und ganz in den Roaring 20s sind.

Bettina Bruiniers Inszenierung ist zeitlich nicht definiert, atemporal ad hoc. Nervig? Nein. Der Zuschauer hat Zeit, sich auf die Handlung zu konzentrieren, sodass Zeit ein Faktor ist, den man gerne vernachlässigen kann. Denn die Handlung ist da und ist RASANT. Da kommt Volker Thieles Bühnenbild  auf verschiedenen Ebenen genau richtig: Ein symmetrisches Konstrukt, dass verschiedene Locations darstellt, ohne sich auf eine zu fixieren: Mal ist es Wilsons Haus, mal die Stadt, mal Nicks Haus und mal Gatsbys große Villa. Justina Klimczyk hat es mit den Kostümen geschafft die zeitliche Epoche zu brechen: Alles ist vorhanden, sogar „tuntige“ Anzüge wie von den Darstellern hervorgehoben. Manchmal grenzen diese Kostüme an den puren Wahnsinn, aber sind dennoch perfekt auf die Szene und dem jeweiligen Mood abgestimmt. Lilli M. Rampre hat als Movement Advisor eine glänzende Leistung vollbracht: Das Wechseln der Bewegungen, die hektische Tanzerei, das Stillstehen… diese Aspekte haben der Darbietung der Künstler noch den Extra-Kick gegeben.

Aber um was geht es eigentlich? Um Menschen, oder besser, das Leben eines Hochstaplers, dessen Ziel es ist, seine Jugendliebe wiederzugewinnen und dies durch seinen dubiös gewonnenen Reichtum.

Gatsby ist aber nicht die Hauptfigur, denn die Hauptfigur ist ein abstraktes Konstrukt von Menschlichkeit und Anerkennung, das schwer zu fassen ist. Jeder versucht etwas zu erreichen, weiß aber nicht genau, ob das eine oder das andere ihn/sie glücklich macht. Sébastien Jacobi als Gatsby personifiziert dieses Gefühl. Zuerst erscheint Gatsby als stiller Beobachter, dann, sobald er Nick (Michael Wischniowski) trifft, kann er nicht anders, als sich zu profilieren und zu versuchen, ihn zu manipulieren, damit er die eigenen Ziele erreicht. Da kommt auch die sexuelle hyperaktive Profigolferin Jordan (Laura Trapp), die eine Affäre mit Nick anfängt aber ihn emotional fertigmacht, da sie keine Bindung will. Eine emotionale Bindungsangst, die mit Frechheit und sozialen Erfolg kaschiert wird. Keiner scheint so richtig glücklich sein zu wollen: Myrtle (Emilie Haus) betrügt George (Fabian Gröver) mit Tom (Jan Hutter) der aber seine Frau Daisy (Verena Bukal) nicht verlassen will. Daisy weiß von der Affäre aber nimmt keine Position ein, und, nachdem sie Myrtle versehentlich überfahren hat, beschließt sie kurzerhand in Urlaub mit Tom zu fahren. Es ist ihr egal, ob dafür jemand anders beschuldigt wird, Hauptsache ist, sie ist da fein raus.  Als dann Gatsby von George erschossen wird, erscheint niemand außer Nick auf der Beerdigung. Sogar Gatsbys Vater, Mr. Gatz, erscheint erst danach. Auch er scheint nicht sonderlich betroffen vom Tod seines Sohnes, sondern eher von dessen Reichtum angetan. So bleibt es Nick überlassen, der einzige „menschliche“ im Ganzen zu sein und sich damit dauerhaft ungeeignet zu fühlen.

Ein Gefühl, das immerwährend und zeitlos ist.

Elisa Cutullè

Comments are closed.