Cuarteto Casals 20 Jahre in der Champions League des Quartettspiels

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Zum 20. Jubiläum beginnt das international gefeierte Cuarteto Casals 2017/18 einen groß angelegten Beethoven-Zyklus in Studio und Konzertsaal mit Stationen u.a. in London, Barcelona, Wien, Paris, Amsterdam, Tokyo und Madrid sowie hierzulande in Hamburg,  Bonn   und   in   Berlin.  Unter  dem   Titel

„Beethoven Illuminated Anew“ koppelt das Cuarteto Casals die Beethoven-Quartette im Konzert mit Neukompositionen und hat hierfür Komponisten des Mittelmeerraums wie Giovanni Sollima oder Mauricio Sotelo beauftragt.

 

Viele von uns, die selbst auf eine langjährige Partnerschaft zurückblicken, kennen das Phänomen jenes rational kaum erklärbaren Vertrautseins, dieser einzigartigen Gleichgestimmtheit im unterbewussten Wissen um  die  bevorstehende  Reaktion  des  Partners.  Diesen  erstrebenswerten  Status  nennt  die  Psychologie

„kongruente Partnerschaft“, für Virginia Satir, eine der bedeutendsten Familientherapeutinnen, so etwas wie ein zwischenmenschlicher Glücksfall: „Ich glaube daran, dass das größte Geschenk, das ich von jemandem empfangen kann, ist, gesehen, gehört, verstanden und berührt zu werden. Das größte Geschenk, das ich geben kann, ist den anderen zu sehen, zu hören, zu verstehen und zu berühren. Wenn dies geschieht, entsteht Beziehung.“

Auch wenn die US-Wissenschaftlerin dabei nicht primär das Musizieren im Blick hatte: Besser lässt sich kaum formulieren, wie Ensemblearbeit – speziell auch innerhalb einer Streichquartett-„Familie“ – idealerweise funktioniert. Und dies haben Abel Tomàs Realp und Vera Martínez Mehner (Violine), Jonathan Brown (Viola, seit 2002) sowie Arnau Tomàs (Violoncello) als Cuarteto Casals über die beiden letzten Dekaden in höchster Perfektion kultiviert: „Nach zwanzig Jahren, fünfzehn davon in derselben Besetzung, haben wir alles Mögliche zusammen erlebt und kennen uns bestens. Trotzdem ist das Quartettspielen immer wieder eine lebendige Entdeckung: Die Noten sind dieselben, aber wir erleben sie bei jedem Konzert anders. Nach so langer Zeit zusammen fühlen wir uns noch freier und unbegrenzter als früher.“

Längst gelten die vier Virtuosen als das erste spanische Streichquartett von Weltrang und konzertierten u.a. schon in der New Yorker Carnegie Hall, dem Wiener Musikverein, der Berliner Philharmonie oder der Philharmonie Köln. Bereits kurz nach seiner Gründung 1997 hatte ein Rezensent des Fachmagazins The Strad dem Ensemble mit dem Satz „A quartet for the new millennium if I ever heard one“ eine goldene Zukunft prognostiziert. Es folgten erste Preise u.a. bei der London String Quartet Competition und dem internationalen Brahms-Wettbewerbs in Hamburg, schließlich auch der Premio Nacional de Música. Der renommierte Borletti- Buitoni Trust verhalf dem Quartett zum Erwerb eines zusammengehörigen Satzes klassischer Bögen. Die dadurch gewonnene Flexibilität bei der musikalischen Hardware wie auch das Konzept, je nach Repertoire bzw. Epoche in der Position des Primarius zu wechseln, zeugen von einer tief durchdachten Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Stilistiken, die das Cuarteto Casals souverän beherrscht. Ein Erfolgsrezept ist dabei sicher auch  die konsequent  gelebte Ensembledemokratie: „Wir sind  schon sehr diszipliniert und proben eigentlich jeden Tag mehrere Stunden, wenn wir nicht gerade auf Konzertreise sind oder uns bewusst frei nehmen. Dabei wird die Probenzeit genau durch vier geteilt. Und jeder ist einmal verantwortlich. Es geht wirklich demokratisch zu bei uns. Das nun schon über viele Jahre ungebrochene Renommee des Cuarteto Casals spiegelt sich auch im zentralen Jubiläumsprojekt 2017/18 wider, das mit

„Beethoven Illuminated Anew“ überschrieben ist. Für die insgesamt sechs konzipierten Konzertprogramme mit   sämtlichen   Streichquartetten   des   Wiener   Klassikers   konnten   dank   Unterstützung   prominenter

 

internationaler Partner bzw. Veranstalter sechs kurze Auftragskompositionen mit gewünschter Beethoven- Reminiszenz an Komponisten des Mittelmeerraums vergeben werden: an Matan Porat (UA 11.09., Wigmore Hall London), Mauricio Sotelo (UA 03.10., L‘Auditori Barcelona), Giovanni Sollima (UA 14.11., Conservatorio Giuseppe Verdi Turin), Aureliano Cattaneo (UA 20.01.18, Cité de la Musique Paris), Lucio Franco Amanti (UA 29.01.18, Het Muzikgebouw aan ‘t IJ Amsterdam) sowie Benet Casablancas (UA 24.05.18, Auditorio Nacional de Música CNDM Madrid). Dass das Schaffen des „Kolumbus der Musik“ (Richard Wagner) seit jeher als zukunftsweisend galt, ist dabei der Grundgedanke dieses spannenden Jubiläumsprojekts: „‚Moderne Musik für alle Zeiten‘, so beschrieb Strawinsky die Große Fuge von Beethoven. Dazu wollen wir noch weitere Wege eröffnen und haben deswegen sechs Komponisten damit beauftragt, einen kleinen musikalischen Kommentar zu Beethoven zu schreiben. Wir sind gespannt zu hören, was sie entdeckt haben, und finden, zu Beethoven passt Neue Musik am besten – er hat gezeigt, wie die Fantasie einer Person die Geschichte der Musik ändern kann.“

Dabei wird natürlich das klassische Erbe des gebürtigen Bonners im Zentrum der Konzerte und Studiotermine stehen: „Die gesamten Beethoven-Quartette zu spielen, ist die allergrößte Herausforderung für ein Streichquartett: Wir haben uns im Grunde genommen 20 Jahre darauf vorbereitet und freuen uns sehr, endlich den ganzen Zyklus spielen zu dürfen. Das ist eine Reise durch alle Facetten der menschlichen Erfahrung: von den lustigsten, absurdesten Szenen bis zu den tiefsinnigsten, innigsten Sätzen der gesamten Kammermusikliteratur. Und anders als etwa bei Mozart sind bei Beethoven wir vier diejenigen, die mit dem Publikum unmittelbar kommunizieren. Es ist wie ein Wunder, dass diese Musik die persönlichste überhaupt, zugleich aber auch immer universal ist … immer größer als jeder Einzelne.“

Im Zuge der expliziten „Neubeleuchtung“ des Beethovenschen Quartettschaffens hat das Cuarteto Casals für seine Studioeinspielung einen gleichermaßen innovativ-dramaturgischen Ansatz gewählt: Denn die Zusammenstellung erfolgt nicht wie gewohnt chronologisch, sondern mit Blick auf die Entwicklungsstufe des einzelnen Werks innerhalb der drei biografischen Schaffensphasen für dieses Genre (sprich: frühe, mittlere und späte Quartette). Und für jede dieser Phasen finden sich zwangsläufig Werke des „Beginns“, sozusagen des ersten Einfalls und Vorantastens („Inventions“), sodann Werke des „Zentrums“, also der vollumfänglichen Einlösung des Vorhabens („Revelations“), sowie schließlich Werke der „Verklärung“, quasi des Schlusspunkts mit Vorausdeutung auf Kommendes („Apotheosis“). So werden dem  Hörer im Block Quartette aus drei verschiedenen Lebensaltern Beethovens präsentiert, die sich durch ihre Charakteristik organisch miteinander verbinden: als experimentelle, als reife oder als visionäre Schöpfungen aus ganz unterschiedlichen Schaffensphasen.

Teil eins „Inventions“ der insgesamt auf drei Box-Sets ausgelegten Gesamteinspielung des Beethovenschen Streichquartettkanons (mit op. 18,1; op. 18,3; op. 18,4; op. 59,1; op. 127; op. 135) ist beim Label harmonia mundi für das Frühjahr 2018 angekündigt, die beiden Fortsetzungen werden 2019 und 2020 erscheinen. Bereits in den nächsten Monaten eröffnet die äußerst rege Konzerttätigkeit der auch als Hochschulprofessoren an der Escola Superior de Musica de Catalunya in Barcelona wirkenden Musiker vielerorts die Möglichkeit, sich insbesondere von der Beethoven-Interpretation des Cuarteto Casals beeindrucken zu lassen: etwa im niederländischen Zeist (12.8.+17.8.) oder im spanischen Vilabertran (18.- 25.8., dort mit allen Beethoven-Quartetten!), bevor dann der Jubiläumszyklus inkl. Uraufführungen im September offiziell startet (Daten s.o.). Hierzulande sind die vier Musiker im Rahmen ihrer „Beethoven Illuminated Anew“-Tournee in Berlin (10.10. inkl. Porat-Novität), Bonn (11.10. inkl. Porat-Novität), Heilbronn (12.10. inkl. Sotelo-Novität), Berlin (25.01.18 inkl. Sotelo-Novität), Hamburg (16.03.18 inkl. Cattaneo-Novität), Leipzig (22.04.18 inkl. Sollima-Novität) und nochmals in Berlin (04.05.18 inkl. Amanti-Novität) zu Gast.

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