Das Frankfurter Eliot Quartett verwirklicht zum 50. Todestag von Dmitri Schostakowitsch einen außergewöhnlichen Konzertzyklus, in dem es dessen sämtliche Streichquartette präsentiert, und macht sich damit selbst ein Geschenk zum zehnjährigen Jubiläum. Möglich gemacht wird das Projekt „DSCH & beyond“ von der Frankfurter Bürgerstiftung im Holzhausenschlösschen und der Ernst Max von Grunelius-Stiftung als Hauptförderer.
Zeit seines Lebens balancierte Dmitri Schostakowitsch auf dem gefährlichen Grat zwischen musikalischer Ausdrucksfreiheit und Treue zum Stalinistischen Regime. Während andere russische Komponisten wie Igor Strawinsky, Sergei Rachmaninow oder Sergei Prokofjew vor der Unterdrückung ins ausländische Exil flohen, blieb Schostakowitsch in der Sowjetunion und komponierte nach außen hin „staatstreue“ Werke – immer wieder gespickt mit Spitzen, die seinen Widerstand gegen das Regime für Eingeweihte demonstrierten. Innerlich war er geplagt von Zerrissenheit und Schmerz, was er vor allem auch in seinen Streichquartetten zum Ausdruck brachte.
Genau diesem Teil seines umfangreichen Schaffens widmet sich das Eliot Quartett und plant im Vorlauf zum 50. Todestag von Dmitri Schostakowitsch am 9. August 2025 den außergewöhnlichen Konzertzyklus „DSCH & beyond“. „Unsere Zeit wirft besonders deutlich die Frage nach der ,Freiheit/Unfreiheit’ der Kultur im politischen Kontext auf. Anlässlich des 50. Todestags von Dmitri Schostakowitsch rücken wir sein gesamtes Streichquartett-Œuvre, das er während der sowjetischen Diktatur komponierte, in den Mittelpunkt unseres neuen Zyklus“, erklärt das Eliot Quartett. Das Projekt ist eine Kooperation mit der Frankfurter Bürgerstiftung im Holzhausenschlösschen und der Ernst Max von Grunelius-Stiftung; letztere hatte u.a. 2014 auch den umfassenden Umbau des Konzertsaals im Holzhausenschlösschen in einen exzellenten Kammermusiksaal mit einzigartiger Atmosphäre – den Ernst Max von Grunelius-Saal – finanziert.
Zwischen Februar 2024 und Juli 2025 präsentiert das in Frankfurt beheimatete Eliot Quartett in zwölf sehr persönlichen und konzeptuell durchdachten Konzerten Schostakowitschs 15 Streichquartette und stellt sie ausgewählten Stücken anderer Komponisten von Johann Sebastian Bach, Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart über Franz Schubert bis hin zu Sofia Gubaidulina und Arvo Pärt gegenüber. Damit geht das Eliot Quartett bewusst über die Person Schostakowitschs hinaus, entfernt sich teilweise sogar von ihr, nur um sich ihr dann intensiver anzunähern. „Die Musik von Schostakowitsch, die als Chronik des 20. Jahrhunderts verstanden werden kann, wird dabei von Komponisten verschiedener Epochen umrahmt, kommentiert und beleuchtet. Für uns wird dieses einzigartige musikalische Projekt einen bedeutenden inhaltlichen Meilenstein in unserer künstlerischen Entwicklung darstellen.“
Eröffnet wird der Zyklus am 8. Februar 2024 mit Schostakowitschs erstem Streichquartett, das er 1938 komponierte, davon ausgehend, dass „nichts daraus wird“. „Kurz bevor Schostakowitsch sein erstes Streichquartett schrieb, berichtete er seinem engen Freund Isaak Glikman: ,Wenn man mir die Hände abhackt, halte ich den Stift eben mit den Zähnen.’ Schostakowitsch reagierte auf Verfolgung mit der Schöpfung neuer Musik. ,Deshalb ist er ein Genie, während wir bloße Talente sind’, schrieb sein Komponisten-Kollege Aram Chatschaturian.
Wir sind dankbar und froh, dass das bedeutende Eliot Quartett in den Jahren 2024 und 2025 alle Streichquartette Schostakowitschs in unserem Haus, dem Holzhausenschlösschen, aufführen wird“, betont Clemens Greve, Geschäftsführer der Frankfurter Bürgerstiftung und großer Bewunderer des Eliot Quartetts. In der zweiten Konzerthälfte ergänzt der Pianist Vadym Kholodenko die Besetzung in Schostakowitschs Klavierquintett, einem der größten Erfolge des Komponisten schon zu Lebzeiten. Am Tag nach dem Eröffnungskonzert (9. Februar) liest der Komponist und Musikwissenschaftler Krzysztof Meyer aus der Biografie, die er über seinen Freund und Kollegen Dmitri Schostakowitsch verfasst hat. Das Eliot Quartett begleitet den Abend musikalisch.
In den folgenden Konzerten geht es um Schostakowitschs Verbindungen zur Russischen Musik (22. Februar), zur Wiener Klassik (25. April), zur Romantik (6. Juni), zur Groteske (10. Oktober), zur Folklore (14. November, mit der Pianistin Lilit Grigoryan) sowie zu Bach (28. November). In letzterem Programm erklingen nicht nur Auszüge aus Johann Sebastian Bachs „Die Kunst der Fuge“ und Schostakowitschs siebtes Streichquartett, sondern auch sein berühmtes 1960 entstandenes und von einem Revolutionslied inspiriertes achtes Streichquartett, das er selbst als eigenen Nachruf bezeichnete: „Ich habe ein Streichquartett komponiert, das keinen Nutzen haben wird und das ideologisch degeneriert ist. Ich habe mir gedacht, dass niemand nach meinem Tod ein Werk in Gedenken an mich komponieren wird, also habe ich es selbst getan.“
Weiter geht es mit Schostakowitschs Überwindung am 12. Dezember, seinem Freundeskreis am 6. Februar 2025 sowie den Konzerten Schostakowitsch bahnbrechend (13. März 2025) und Schostakowitsch und tiefe Streicher (15. Mai 2025). Der Zyklus endet mit dem großen Finale Schostakowitsch unsterblich (3. Juli 2025), in dem das Eliot Quartett Schostakowitschs letztes Streichquartett Nr. 15 und Beethovens Streichquartett in cis-Moll, op. 131, gegenüberstellt. „Schostakowitsch lebte als Komponist mindestens drei Arten von Mut und das Eliot-Quartett lebt diese drei Arten Mut in ihren Interpretationen der Werke Schostakowitschs weiter: Den Mut, immer man selbst zu sein. Den Mut, nichts umzulügen, also die Dinge beim Namen zu nennen. Und den Mut, an die Anrufbarkeit der anderen Menschen zu glauben“, erklärt Clemens Greve.
Mit dem Konzertzyklus „DSCH & beyond“ zollt das Eliot Quartett nicht nur Dmitri Schostakowitsch zu seinem 50. Todestag einen großen Tribut, es erfüllt sich auch selbst zum zehnjährigen Jubiläum einen lang gehegten Wunsch. 2014 in Frankfurt gegründet, sind Maryana Osipova und Alexander Sachs (Violinen), Dmitry Hahalin (Viola) und Michael Preuss (Violoncello) schon von Beginn ihrer Karriere an freundschaftlich mit der Frankfurter Bürgerstiftung verbunden. Mit der Verwirklichung ihres
Herzensprojekts über einen so langen Zeitraum hinweg wird die Zusammenarbeit weiter intensiviert.
Dieser Bedeutung ist sich auch Clemens Greve bewusst:
„Zum 50. Todestag von Schostakowitsch mit den Aufführungen aller seiner Streichquartette durch das Eliot Quartett an den Komponisten erinnern zu dürfen, ist ein einzigartiges Geschenk, ein Geschenk, das uns die Freunde und Förderer der Frankfurter Bürgerstiftung und vor allem die Ernst Max von Grunelius-Stiftung als Hauptförderer machen. Das Holzhausenschlösschen der Frankfurter Bürgerstiftung kann durch private Initiativen wieder einmal zu einem besonderen Ort bedeutender Musikaufführungen werden. Wir sind dem Eliot Quartett und Dmitri Schostakowitsch sehr dankbar und freuen uns zusammen mit unseren Freunden und Förderern auf einmalige Konzerterlebnisse.“
Fotocredit: Kaupo Kikkas