Einerseits weist sie auf Wagners „Lohengrin“ voraus, andererseits befand Ludwig Tieck, dass darin „Sachen seien, um die ihn Gluck und Mozart beneiden müssten“: Carl Maria von Weber schuf mit „Euryanthe“ eine mystische, aufregende, vieldiskutierte Oper. Nicht nur, dass sie Epochen verbindet – vor allem markiert sie in Webers eigenem Schaffen einen Höhepunkt. Umso überraschender, dass sie beinahe nie gespielt wird. Der Grund liegt im skurrilen Libretto: Der Dichterin Helmina von Chézy misslang es, den Stoff, eine Erzählung aus dem 13. Jahrhundert, schlüssig zu raffen und zu dramatisieren. Bis heute verharren viele Häuser ob des Textes in Skepsis. Zu Unrecht, wie Roland Kluttig an der Oper Frankfurt zeigen wird (Premiere: 5. April, 18.00 Uhr, Oper Frankfurt). Der versierte Operndirigent findet in der Partitur alle Qualitäten von Webers Klangmagie. Er wird diese in der Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester entfalten und sich der fesselnden, harmonisch visionären Tonsprache widmen. Kluttig, Generalmusikdirektor am Landestheater Coburg, steht ohnehin in dem Ruf, seinen Aufführungen ein Mehr an „Farbe, Wucht, Wahrheit und Wirkung“ (FAZ) zu entlocken. Ein Ruf, der zu regelmäßigen Engagements mit dem hr-Sinfonieorchester, dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, der Dresdner Philharmonie, dem Deutschen Symphonie-Orchester, dem Philharmonia Orchestra, dem Seoul Philharmonic Orchestra und der Prague Philharmonia führte. Auch mit namhaften Regisseuren wie Jossi Wieler und Christoph Marthaler arbeitete er zusammen, mit Komponisten wie Unsuk Chin und Helmut Lachenmann – und neben der Herausforderung, „Euryanthe“ wieder auf das Radar der Programmgestalter zu hieven, gestaltet er im Februar als Gastdirigent auch eine „Così fan tutte“ – Inszenierung in Nizza (Premiere: 15.02.2015, 15.00 Uhr, Opera de Nice). Seine Stammtätigkeit in Coburg führt er ebenfalls mit ihm eigener „Verve und Genauigkeit“ (SZ) fort: Das dortige Landestheater hebt zu Monatsbeginn „Salome“ von Richard Strauss auf den Spielplan. Hierfür arbeitet Kluttig wieder mit dem schwedischen Regisseur Tobias Theorell, mit dem er schon “Peter Grimes” und den “Freischütz” erarbeitet hat, zusammen (Premiere: 07.02.2015, 19.30 Uhr, Landestheater Coburg). Dass sich Roland Kluttig um die rechtmäßige Anerkennung des Komponisten Weber bemüht, ist nur konsequent – immerhin stand der Beginn von Kluttigs Karriere unter Webers Namen. Kluttig studierte an der nach dem Komponisten benannten Hochschule für Musik zu Dresden, ehe er 1992 die Leitung des Kammerensembles Neue Musik Berlin übernahm. Es folgte 2000 eine Stelle als Musikalischer Assistent und Kapellmeister an der Oper Stuttgart, wo seine enge Zusammenarbeit mit Helmut Lachenmann im Zuge der Aufführung von dessen „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ begann. Kluttigs Repertoire reicht von Barock und Klassik bis zu Varèse oder auch Frank Zappa. 2009 dirigierte er an der schwedischen Norrlandsoperan Brittens „Peter Grimes“ und 2011 Bergs „Wozzeck“, der vom schwedischen Fernsehen aufgezeichnet und als eine der besten Opernproduktionen des Jahres gewürdigt wurde. „Außergewöhnlich plastisch, sehr beweglich und mit starken Konturen führt Kluttig die große Mannschaft des Hauses; kraftvoll, spannungsreich, aber auch lyrisch und klar“, urteilte der WDR über ein Schönberg-Konzert, und die Dresdner Neue Nachrichten befanden zu anderer Gelegenheit: „Das Ereignis des Abends wurde Strawinskys Le Sacre du Printemps. Roland Kluttig gestaltete das Werk mit atemberaubender Intensität.“ Diese Gestaltungskraft will der in Radeberg bei Dresden geborene Kluttig dem Wahldresdner Weber zugutekommen lassen. Bei ihrem Erscheinen 1823 in Wien und insbesondere nach der Berliner Premiere 1825 war die „Euryanthe“ zunächst ein Erfolg. Doch abgesehen von einer Neubearbeitung Mitte des 20. Jahrhunderts verschwand das Werk meist in der Versenkung. Zeit, es wieder zu heben