Seit über 90 Jahren schreibt das Slowakische Nationaltheater in Bratislava (dt. Pressburg) maßgeblich an der europäischen Musikgeschichte mit. Hier, wo internationale Gesangsgrößen wie Lucia Popp oder Peter Dvorský einst die ersten Stufen ihrer Karriereleiter erklommen, ist große Operntradition unmittelbar
Epochale Schöpfungen des slowakischen Musiktheaters wie „Wieland der Schmied“ von Ján Bella (1926), „Krútňava“ von Eugen Suchoň (1949), „Das Urteil“ von Ján Cikker (1979), „Das Gastmahl“ von Juraj Beneš (1984) oder jüngst „Dorian Gray“ von Ľubica Čekovská (2013) erlebten hier ihre Weltpremiere. Die
gewachsene historische Bedeutung spiegelt sich auch in der modernen Spielstätte wider, einem 2007 eröffneten imposanten Neubau mit 900 Sitzplätzen nahe der Donau, wo auch die drei Neuproduktionen der aktuellen Saison auf die Bühne gebracht werden. Von ebenso einzigartigem Ambiente ist der zweite
Opern-Spielort der Stadt: 600 Plätze bietet das historische Königliche Freistädtische Theater am Hviezdoslav-Platz, das zwischen 1884 und 1886 von dem berühmten Architekturbüro Fellner & Helmer realisiert wurde, dem wir u.a. auch das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg, das Wiener Volkstheater
und die Grazer Oper verdanken. In diesem denkmalgeschützten Gebäude, bei dem Fassade, Zuschauerraum, Eingangsfoyer sowie der Salon im ersten Stockwerk noch im Originalstil erhalten sind, wird in der Saison 2014/15 die Studio-Produktion für junge Sänger „Il re Teodoro in Venezia“ von Giovanni
Paisiello in der Bearbeitung von Hans Werner Henze zu erleben sein.
Die Leitung des Gesamtbetriebs obliegt Marián Chudovský, der es sich als Generaldirektor auf die Fahnen geschrieben hat, das Slowakische Nationaltheater „zu einem Ort neuer Erkenntnis“ zu machen.
Ihm zur Seite steht seit 2012 mit Friedrich Haider als Musikdirektor ein österreichischer Künstler mit langjähriger internationaler Erfahrung und ausgezeichneten Referenzen, zu denen u.a. der slowakische Kritikerpreis für die „Beste musikalische Einstudierung“ (Oper Bratislava, „Lohengrin“) zählt. Nicht einmal 30-jährig hatte er als einer der jüngsten Generalmusikdirektoren in der Geschichte der Opéra National du Rhin zunächst in Straßburg gewirkt, bevor der an der Wiener Musikhochschule ausgebildete Haider als Chefdirigent die musikalischen Geschicke der nordspanischen Oviedo Filarmonía lenkte. Für die Spielzeit 2014/15 hat er in Bratislava nun ein ambitioniertes Bühnenprogramm mit 19 Repertoirewerken, fünf Premieren sowie einem Nachwuchsangebot auf die Beine gestellt.
Mit „I Gioelli della Madonna“ von Ermanno Wolf-Ferrari (Premiere: 29.5.2015) steht dann gegen Ende der Spielzeit noch eine slowakische Erstaufführung auf dem Programm. Um die Wiederentdeckung des nahezu vergessenen deutsch-italienischen Komponisten (1876-1948) hat sich Friedrich Haider maßgeblich
verdient gemacht: Nach dem Fund einer Partitur der Opera buffa „Il segreto di Susanna“ 2003 in einem Londoner Antiquariat unterzog er das Werk einer grundlegenden Revision. Zudem arbeitet er an einer Schriften-Ausgabe des Komponisten und hat 2008 mit der Einspielung sämtlicher Orchesterwerke
begonnen, die ihm bereits den Preis der Deutschen Schallplattenkritik (für Orchestermusik aus Opern und Violinkonzert op. 26 mit Benjamin Schmid, Farao Classics) einbrachte. „Nach 1900 war Wolf-Ferrari einer der bedeutendsten und meistgespielten Komponisten: Gustav Mahler widmete sich als Dirigent seinen
Kompositionen ebenso wie Arturo Toscanini oder Clemens Krauss“, so der Musikdirektor des Nationaltheaters. „Wolf-Ferrari hat mit seinem hochindividuellen Ton die Tonalität sozusagen neu definiert.“
In der 1911 in Berlin uraufgeführten Oper „I Gioielli della Madonna“ (dt.: Der Schmuck der Madonna) hat der gebürtige Venezianer zudem eine ganz eigene Variante des Verismo kultiviert: „Es ist eine wirkliche Geschichte aus dem Süden Italiens voll von Emotionen, dramatischer Spannung, exzellent komponiert und sehr farbig instrumentiert“, so Slavomír Jakubek, Chefdramaturg des Hauses, der die Inszenierung Manfred Schweigkofler übertragen hat. Seit 2010 setzt der langjährige Bozener Intendant das große Musiktheaterrepertoire u.a. in Neapel, Piacenza, Palermo, Helsinki und Philadelphia in Szene. Die männliche Hauptpartie in dieser „Oper aus dem neapolitanischen Volksleben“ singt der international renommierte Tenor Miroslav Dvorský (Alternativbesetzung: Kyungho Kim), den weiblichen Gegenpart wird die bereits mit zwei Solo-CD-Produktionen in Erscheinung getretene Russin Natalia Ushakova (Alternativbesetzung: Adriana Kohutková) auf der Bühne des Slowakischen Nationaltheaters übernehmen.