Oh Dietmar!

Jan Hutter, Thorsten Köhler (Dietmar) und Michael Wischniowski | Foto: Martin Kaufhold

 

Bettwurst, so wird im Volksmund oft die Nackenrolle genannt. Obwohl… wenn man Rosa von Praunheims Camp-Film Die Bettwurst sieht, dieses Wort auch andere Nuancen hervorzurufen scheint.

Erstmalig wurde der Film 1971 im ZDF ausgestrahlt- das Musical, hingegen kam im September 2022 im Berliner Varietétheater Bar jeder Vernunft auf die Bühne. Nicht nur basiert das Musical auf Praunheims Film, sondern ist auch, wie der Film im Camp-Stil inszeniert. Das Bühnenbild und die Kostüme von Cleo Niemeyer-Nasser schaffen eine reine Camp-Oase.

Die eingespielten Videos von Leonard Koch erscheinen wie ein kleiner „Glimps“ in die Realität.

Die Rezeption in Berlin war äußerst positiv: Die Berliner Zeitung zum Beispiel titelte in ihrer Ausgabe vom 12. September 2022: „Die Bettwurst wird zum Must-see-Musical.“

Die Premiere in Saarbrücken in der Sparte4, geht in dieselbe Richtung. Wie könnte es auch anders sein? Mit einer pfiffigen Luzi (Christiane Motter) und einem süß-verpeilten Dietmar (Torsten Kölsch) ergibt sich ein schrilles Außenseiter-Paar, das sich dauernd bemüht eine kleinbürgerliche Ehe auf die Beine zu setzen und somit von einem Fettnäpfchen ins andere tritt. Begleitet in dieser Reise werden sie von einem facettenreichen Chor (Jan Hutter, Laura Trapp, Michi Wischniowski), die mal Teufel, mal Engel, mal Freunde, mal Feinde, mal Menschen und mal Objekte sind. Das Publikum wird zum Überraschungsgast: Nicht nur die ersten Reihen werden in die Aufführung miteinbezogen! Zum einem riskiert eine Handtasche einer Zuschauerin ein Crémant-Bad, zum anderen wird der „Schwager“ zum Lustobjekt Dietmars und das Publikum der hinteren Reihen darf zuweilen die Andeutungen der sexuellen Bemühungen miterleben.

Es ist eine inklusive Camp-Vorstellung: Von Lachen über die Verspieltheit der Darsteller regt sich der eine oder andere über die Einblendung von Jesus oder Maria auf, während der andere interessiert die Entführung der Luzi vor dem Staatstheater verfolgt oder sich plötzlich im DFG bei den Tretboten findet.

Paul Splitter de-localisiert  und de-demoralisiert das Stück, ohne dass es an Verve und Unterhaltungsfaktor verliert: Nach einer Weile ist es dem Publikum egal ob man sich in Kiel, Mannheim, Ludwigshafen oder in Saarbrücken befindet. Und wenn ein Chormitglied im Tannenbaumkostüm „Leise rieselt der Schnee“, kommt auch das Publikum aus Mitgefühl ins Schwitzen.

Um es mit Susan Sontags Worten zu sagen: Die Bettwurst ist ein Traum von Akzeptanz… und das gleich zu Anfang des Pride Months. Only love matters.

 

Weitere Vorstellungen

Juni: 11,13,22,24,30

Juli: 7,

Infos und Tickets: Hier klicken

Elisa Cutullè

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