
Historisches Museum Saar, 16.05.2024, Fotografien Ausstellung: „Illegal.Street Art Graffiti 1960 – 1995 “
Das Historische Museum Saar zeigt im Museum am Saarbrücker Schlossplatz die Ausstellung „ILLEGAL. Street Art Graffiti 1960 – 1995“. Präsentiert werden bahnbrechende Werke aus den Anfängen amerikanischer und europäischer Street Art- und Graffiti-Geschichte. Dabei wird ein Fokus auf frühe illegale Werke gesetzt. Mit dem historischen Ansatz und einer bildgewaltigen, immersiven Aufbereitung ist die Ausstellung des Historischen Museums Saar weltweit die erste dieser Art überhaupt.
Ausgestellt werden Schlüsselwerke und nie gezeigte Raritäten, die illegal, also ohne Erlaubnis anderer und ohne kommerzielle Absichten, für ein Publikum auf der Straße geschaffen wurde. Die Auswahl der 120 Künstler*innen aus über einem Dutzend Ländern ist das Ergebnis einer aufwändigen und langwierigen Recherche. Ihre Werke waren niemals für ein Museum gedacht und sind deshalb – bis auf wenige Ausnahmen – im Original nicht erhalten. Dem Historischen Museum Saar ist es dennoch gelungen, Originale aufzustöbern und diese nach Saarbrücken zu bringen. Die entfernteste Leihgabe kommt aus Kalifornien.
Die Schau startet mit den bahnbrechenden Arbeiten von Brassaï, einem angesehenen Fotografen und Weggefährten von Picasso. Brassaï war einer der ersten Künstler, der Graffiti nicht nur als spontane Form der Straßenkunst betrachtete. Er erkannte sie als eine bedeutende künstlerische Ausdrucksform, die es wert war, dokumentiert und in Galerien präsentiert zu werden. Seine Graffiti-Fotografien, erstmals 1960 in Stuttgart ausgestellt, markieren einen bedeutenden Wendepunkt in der Wahrnehmung und Anerkennung dieser Kunstform. Inhaltlich endet die Ausstellung 1995, dem Jahr, in dem erste Werke Banksys in England auftauchen.
Ein zentraler Fokus der Ausstellung liegt auf der Betrachtung bestimmter geografischer Orte und Regionen, die eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der Street Art und Graffiti-Szene spielten. Ein solcher Ort ist die schmale Gasse Rue Visconti in Paris, die zwischen 1962 und 1986 zu einem Brennpunkt für unerlaubte Kunstwerke wurde. Hier hinterließen renommierte Künstler wie Christo, Daniel Buren und Zlotykamien ihre Spuren und prägten maßgeblich die Entwicklung dieser kreativen Bewegung. Besonderer Fokus liegt auf dem Städtedreieck Paris-Düsseldorf-Zürich. Hier und nicht in Metropolen wie Berlin, Rom oder Madrid passierten wesentliche Entwicklungen für die europäische Street Art- und Graffiti-Geschichte. Durch die Einbindung internationaler Originalleihgaben, aber auch regionaler Akteur*innen, wird auch die Großregion aufgegriffen.
Die Schau beleuchtet die enge Verbindung zwischen Graffiti und anderen künstlerischen Ausdrucksformen, wie der Avantgarde-Kunst oder der Literatur, insbesondere aber auch der Popmusik. Viele Graffiti-Künstler*innen waren nicht nur visuell kreativ, sondern auch musikalisch aktiv oder gestalteten Plattencover für Bands. Diese Interaktion zwischen visueller Kunst und Musik wird in der Ausstellung intensiv beleuchtet (hörbar gemacht) und verdeutlicht die Vielschichtigkeit und Dynamik dieser Zeit.
Statt einer kleinteiligen Ausstellung werden die Werke mehrheitlich groß, etwa in Originalgröße, reproduziert. Die bild- und audiogewaltige Präsentation wird so zum immersiven Erlebnis. Besucher*innen können sich selbst mit der Street-Art-Geschichte in Szene setzen und Selfies machen. Das umfangreiche Rahmenprogramm der Ausstellung umfasst verschiedene Veranstaltungen, darunter ein Street Art-Graffiti-Festival mit Dokumentationen über die Graffiti- und Street Art-Szene, Vorträge sowie Workshops mit lokalen Künstler*innen.
Kurator der Ausstellung ist Dr. Ulrich Blanché, ein bekannter und gefragter Spezialist für das Thema. Seit 17 Jahren forscht er zu Street Art, ist Privatdozent an der Universität Heidelberg und gibt regelmäßig Interviews für internationale Medien. Realisiert wird das Projekt vom Historischen Museum Saar.
Zur Ausstellung ist im renommierten Hirmer Verlag ein reich illustrierter Begleitband erschienen. Ohne dass es Selbstzweck sein sollte oder im Vorfeld erklärtes
Ziel gewesen wäre, schreiben Ausstellung und Katalog eine internationalere und weiblichere
Street-Art- und Graffiti-Geschichte. Zahlreiche neue Forschungsergebnisse und Perspektiven tragen zur Qualität der Schau bei.
Foto: (c) André Mailänder