Vor zehn Jahren hätte man noch schreiben müssen: Der Geheimtipp aus Norwegen wird in Frankfurt/Main, Ludwigsburg und Hamburg, in Coesfeld, Dortmund und Essen zu erleben sein – und zwischendurch auf einem Abstecher in Antwerpen. Heute reicht es zu schreiben: Das Bergen Filharmoniske Orkester kommt wieder nach Deutschland. Und jeder Klassik-Insider weiß: Da darf man sich auf ein Weltklasseorchester freuen!
Geleitet wird es von seinem Chefdirigenten Edward Gardner, dem im angelsächsischen Raum, auch an der Met, hochgeschätzten 48-jährigen Briten, der in Deutschland leider nur selten zu erleben ist. Und als Solisten reisen zwei Top-Stars an, die nicht nur große Namen haben, sondern zu den spannendsten (jüngeren) Musikern überhaupt gehören: Augustin Hadelich, der deutsche Wahl-New Yorker, wird in Hamburg, Coesfeld und Dortmund das Violinkonzert von Sibelius spielen. Víkingur Ólafsson, der isländische Wahl-Berliner, an den vier übrigen Abenden das Klavierkonzert von Grieg, Ravel oder Schumann. Dazu gibt es Strawinskys Petruschka oder Rachmaninows Sinfonische Tänze als Hauptstück und als Hors d’oeuvre Wagners Parsifal-Vorspiel, Ravels La Valse oder Griegs Begräbnismarsch für Rikard Nordraak.
Schon der Tourneeplan zeigt, wie die Bergener Philharmoniker ticken: Fünf verschiedene Programme bieten sie in den sieben Konzerten, mit den Solisten im Wechsel – so kann keine Tournee-Routine aufkommen. Und die Werke bilden eine aparte Mischung aus Norwegischem, Nordischem und „internationaler“ Sinfonik, aus Romantik und früher Moderne.
Überhaupt ist das Bergen Filharmoniske Orkester ein ganz erstaunliches Ensemble: 1765 wurde es in der alten Hansestadt und Kulturmetropole Norwegens gegründet – und ist damit eines der ältesten Sinfonieorchester der Welt. Edvard Grieg und Johan Halvorsen haben es zeitweilig geleitet, Ole Bull, einer der großen Virtuosen des 19. Jahrhunderts, war Konzertmeister, zu den Chefdirigenten der letzten Jahrzehnte zählen Dmitri Kitajenko und Simone Young, aktueller Erster Gastdirigent ist Sir Mark Elder.
„Harmonische Gesellschaft“ lautet der Gründungsname, und eine solche ist das Orchester bis heute: 20 Ehepaare unter 101 Musikern dürften Weltrekord sein. Die Orchestermitglieder haben generell viel zu sagen. An allen wichtigen Entscheidungen sind sie beteiligt, „Programmchef“ ist nicht der Chefdirigent, sondern ein Orchestermitglied.
Und sie erweisen sich als spielfreudig, flexibel, innovativ und neugierig: Weit über hundert CDs haben die Bergener Philharmoniker seit 1990 aufgenommen (vor allem für BIS, Chandos und Hyperion) und zahlreiche Werke uraufgeführt, u.a. von Schnitte und Per Nörgard. Seit 2015 stellt das Orchester die besten Konzerte im kostenlosen Streaming Service Bergenphilive zur Verfügung www.bergenphilive.no.
Wie in einem bevölkerungsmäßig kleinen, aber reichen Land zu erwarten ist: Das Bergen Filharmoniske Orkester ist sehr international und hochkarätig besetzt, hat aber doch, wie es Chefdirigent Edward Gardner formuliert, „einen Kern von Streichern und viele Holzbläser-Solisten, die Norweger sind, und da kommt dieser besondere Klang her. Es ist kultiviert; es ist wie ein altmodisches Kammerorchester mit viel Leben – beinahe wienerisch.“
Überhaupt die Qualität! „Innig, ohne larmoyant zu werden,“ heißt es in einer Konzertkritik der Süddeutschen Zeitung, „heroisch im Tonvolumen, aber nie großspurig tönend, kühn, ja, atemlos machend im Decrescendo, Verdämmern, Erblassen ins Verlöschen hinein. Und von einer Staunen erregenden Artikulationsdeutlichkeit – grandios.“ Das britische Fachblatt „Gramophone“ kürte die Einspielung von Benjamin Brittens Oper „Peter Grimes“ 2021 sogar zur Aufnahme des Jahres!
Gemeinsam mit Víkingur Ólafsson waren das Bergen Filharmoniske Orkester und Edward Gardner übrigens bereits im letzten August in Deutschland zu Gast – mit ähnlichem Programm und beeindruckendem Erfolg. „Temperamentvoll, flirrend und schwelgerisch“ spielten sie beim Rheingau Musik Festival Rachmaninows Sinfonische Tänze, schrieb der Wiesbadener Kurier, während Ravels Valse laut FAZ zu erleben war „als farbsinnliche, fast geschmeidige, schattierungsreiche und delikate Erinnerung, die zudem von der großen klanglichen Flexibilität der Streicher- und absoluten Präzision der Bläserstimmen getragen war“. Der Kollege der „Welt“ nannte die Ravel-Interpretation beim Musikfest Bremen einen Tag später „beglückend frech, radikal. Die impressionistische Ballettmusik tanzte hier quicklebendig ganz allein durch die Köpfe der Hörer, ohne dass es eines Balletts bedurft hätte.“ Und mit Griegs Klavierkonzert endete, so die „Welt“, „das Konzert in einer Art kollektivem Bühnensaalrausch, wie man ihn nur selten erlebt“. Oder, wie der Kollege aus Wiesbaden lapidar konstatierte: „Euphorischer Beifall.“
TOURNEEDATEN UND –PROGRAMM
Bergen Philharmonic Orchestra
Edward Gardner Dirigent
Víkingur Ólafsson Klavier
Augustin Hadelich Violine
11.Februar 2023 | 20:00 Uhr | Frankfurt a.M. | Alte Oper, Großer Saal
Wagner Parsifal Vorspiel 1. Aufzug
Schumann Klavierkonzert a-Moll op. 54
Strawinsky Petruschka
12.Februar 2023 | 17:00 Uhr | Ludwigsburg | Forum am Schlosspark
Grieg (arr. Johan Halvorsen) Trauermarsch für Rikard Nordraak Grieg Klavierkonzert a-Moll op. 16 Rachmaninow Sinfonische Tänze op. 45
14.Februa 2023 |20:00 Uhr | Hamburg | Elbphilharmonie
Ravel La valse
Sibelius Violinkonzert in d-Moll op. 47
Strawinsky Petruschka
16.Februar 2023 |20:00 Uhr | Antwerpen | Koningin Elisabethzaal
Grieg (arr. Johan Halvorsen) Trauermarsch für Rikard Nordraak Grieg Klavierkonzert a-Moll op. 16 Rachmaninow Sinfonische Tänze op. 45
17.Februar 2023 | 19:30 Uhr | Coesfeld | Konzert Theater
Grieg (arr. Johan Halvorsen) Trauermarsch für Rikard Nordraak Sibelius Violinkonzert in d-Moll op. 47
Strawinsky Petruschka
18.Februar 2023 | 20:00 Uhr | Dortmund | Konzerthaus
Ravel La valse
Sibelius Violinkonzert in d-Moll op. 47
Strawinsky Petruschka
19.Februar 2023 | 17:00 Uhr | Essen | Philharmonie
Wagner Parsifal Vorspiel 1. Aufzug
Ravel Klavierkonzert in G-Dur
Rachmaninow Sinfonische Tänze op. 45